Im Juli vergangenen Jahres war ich einmal im Raum um das nördliche Taubertal unterwegs und fuhr dabei zufällig auch durch Dertingen. Dieser kleine Ort liegt Weinbau-technisch irgendwo im Nirgendwo, zwischen dem Taubertal und dem Mainviereck und Maindreieck. Nach meiner Auffassung der Situation – also topographischen gesehen – sollte Dertingen zweifellos zu Franken und zum Maindreieck gehören. Auch der Bach im Ort (Aalbach) mündet gen Westen in den Main. Von der Tauber ist weit und breit nichts zu sehen. Die fließt westlich und südlich von der einzigen Lage der Gemeinde dem Mandelberg aus gesehen, hinter mehr als 150m hoch aufragenden ‚Bergrücken‘ – mini-Landrücken. Unpassend ist einzig und allein, dass Dertingen zu Baden-Württemberg gehört. Auf dem zu Gemeinde gehörenden Gelände liegt aber passenderweise der nördlichste Punkt des Landes BW.
Entlang des Limbachgrabens findet man eine über den Landkreis hinaus schöne und spannende und auch seltene Flora und Fauna. Wenn man das vergleichsweise kurze Limbachtal von Süden her kommend nach Norden verlässt, hat man es eigentlich auch schon fast geschafft. Man kann die Weinlagen von Kembach sehen und mit guten Augen auch die Zeilen des Mandelbergs. Ich hielt also in Deringen beim Weingut Oesterlein an und hatte Glück, dass der Chef da war. Schnell kamen wir ins Gespräch und ich erfuhr viel über das Weingut, den Ort und dessen Wein-Geschichte.
Mit circa 11 Hektar ist das Weingut heuer der größte selbstvermarktende Weinbaubetrieb in Dertingen.
Dabei wird hier ausschließlich die einzige Lage des Orts bewirtschaftet, welche mit über 60 Hektar aber auch vergleichsweise groß ist und seit über 800 Jahren besteht.
Mit etwas Glück wird man erst vom Haus- und Hoftiger begrüßt, wenn es nicht zuvor schone eine*r der gestanden Fachfrauen oder Männern der Familie tut. Bei mir war es der Chef Lothar Klüpfel persönlich – Glück gehabt. Die beeindruckensten Daten unseres langen Gesprächs waren, die Steilheit des Mandelbergs – bis zu 50% ! – und, dass das Weingut in Franken wohl das erste war, welches Merlot angebaut und vermarktet hat. Es war glaube ich noch in den Achtzigern, als auf die Flaschen noch ‚aus Versuchsanbau‘ zu lesen sein musste, damit das Ganze verkehrsfähig ist. Weiterhin kann man sagen, dass das 1960 gegründete Weingut ziemlich viele verschiedene Reben (17) in seinen Weinbergen bewirtschaftet. Manche werden sagen, dass man sich so nicht auf eine Rebsorte konzentrieren kann, was vielleicht auch stimmen mag. Nichts desto trotz hat man so auch einen gewissen Vorteil. Nicht zuletzt wegen dem Produktionsfaktor: Wetter ! Irgendwas wird immer gut ! 😀
Am Ende des Gesprächs nahm ich noch eine Flasche 2018er Riesling „Alte Reben“ trocken von eben diesem Mandelberg mit. Einige Monate danach war es jetzt soweit. Und siehe da, ich muss sagen ich bin positiv überrascht und durchaus amüsiert. Der Riesling aus der nördlichsten Weinlage Baden-Württembergs kann mehr, als man vielleicht vorher gedacht hätte – warum aber auch nicht !? Die besten Teile der Lage sind gut steil, schützen somit auch gegen kalte Nordwinde im Sommer und sammeln z.T. maximal viele Sonnenstunden durch eine kaum eingeschränkte Sicht von Sonnenauf- bis Untergang. Die Lage ist am Übergang vom typisch unterfränkischen Muschelkalk- zum churfränkischen Buntsandsteinböden gelegen und beherbergt hier und da beide Untergrundgesteine. Das macht die Lage besonders ! Ähnlich spannend wie bspw. auch der Röttinger Feuerstein.
Zum Wein: Die Trauben für diesen Riesling stammen von über 40 Jahre alten Rebstöcken – natürlich vom Dertinger Mandelberg. Ganz am Anfang vielen mir zuerst erst an Äpfel erinnernde Aromen auf, dann Zitrus und etwas gelbe Kiwi. Ich fand ihn leicht herb und minimal bitter. Er besitzt eine kernig wirkende Säure. Für mich irgendwie nicht typisch >Riesling<. [Edit: sollte man ihn dekantieren, kommt der typische Riesling(duft)charakter besser heraus.] Ich glaube der braucht ein wenig Luft um sich besser zu entfalten.
Ich darf ihn innerlich aber auch nicht mit dem Frucht-Säure-Spiel eines restsüßen Moselrieslings vergleichen.
Meine Empfindung muss noch kalibriert werden !
Aber dieser klassische Riesling-Duft fehlt hier anfänglich dennoch ein wenig, obleich er einen dezent feinen Duft von Aprikosen besitzt. An Tag 2..+ gesellt sich für meine Nase eine feine Note Birne a la Abate Fetel hinzu. Er ist definitiv kräftig und gefühlt erfrischend, nicht zuletzt durch die Säure, aber auch das nicht zu fruchtige Bouquet und keine zu reduktiv ausgebaute, vordergründige verspielte Art. Den Abgang finde ich gut lang. Da ginge mit ein wenig Fassreife aber sicher noch etwas, denn die Anlagen sind natürlich toll.
Der hier ist halt ein top trockener und kräftiger Riesling !
Ich kann dieser Art Riesling durchaus einiges abgewinnen !
Ich finde, dass auf tauberfränkischem Muschelkalk ein Riesling vom Typus des fränkischen Rieslings ein wenig abweicht und mit denen aus dem Rheingau und von der Mosel überhaupt nur ganz schwer zu vergleichen ist.
Die ohne große Kellertechnik aus der Region der Tauber stammenden Rieslinge finde ich allgemeinhin etwas säurebetonter und schlanker bzw. spritziger – weniger rund und balanciert als die aus den klassischen Riesling-Regionen. Am ehesten vergleichbar finde ich da die Rieslinge von der Saar. Ich sollte mehr Riesling trinken !