Ich hatte mir, kurz nachdem ich nach Bad Mergentheim im Taubertal zog, 2012 oder 2013 im hiesigen italienischen Feinkostgeschäft (welches inzwischen in Würzburg beheimatet ist) diesen Rotwein mehrfach gekauft, und nun war es endlich wieder soweit ! Zu Heilig Abend kam meine letzte Flasche des 2012er ‚kaulós‘ aus dem Keller. Ich hatte mich beim Aufziehen der Flasche schon etwas dusselig gefreut und das auch zurecht. Da ich einen kaulós vor einigen Jahren letztmalig im Glas hatte und ihn final als sehr leckeren und opulenten Wein im Gedächtnis behalten hatte !
Aber worum handelt es sich bei diesem Wein eigentlich?
Terre del Was ? Terre del Gufo !
Ich erkläre es kurz: Der Name des Weinguts zitiert den früheren spöttischen Spitznamen der Mitschüler für Guiseppe Muzzillo, der das Weingut in Albo in Kalabrien aufgebaut hat. Guiseppe wurde wegen seiner Brille und seiner spitzen Nase ‚ Eule ‚ (gufo) genannt. Seinen damaligen beruflichen Erfolg nutzte der ehemalige Architekt in der Zeit des Niedergangs der Genossenschaften zur Gründung des Weinguts, welches mit einem hohen Qualitätsanspruch nicht mehr als 20.000 Flaschen produziert und auch nicht jeden Wein jedes Jahr ! Sein Sohn Eugenio führt eben dieses Weingut seit einigen Jahren im Sinne seines Vaters weiter.
Ganz nebenbei: Vom kaulós 2014 wurden zum Beispiel nur 12.000 Flaschen hergestellt, was etwa dem Ertrag eines Jahres (bei niedrigen Erträgen) von circa 3 Hektar Rebfläche in Deutschland entspricht. Das ist wahrlich nicht viel Wein !
Ich habe mich seitdem immer gefragt, was es eigentlich mit der Bezeichnung des Weins auf sich hat. Die scheinbar plausibelste Erklärung ist diese: „Das lateinische Wort caulis selbst, geht – wie altgriechisch καυλός (kaulós) „(hohler) Stängel, Stiel, Schaft, Strunk, Kohl, meist Gemüsekohl“ – vermutlich auf eine indogermanische Wurzel kaul mit der Bedeutung ‚hohl‘ und ‚hohler Pflanzenstängel‘ zurück.“*
Ich bin aufgrund dieser *wikipedia-Zeilen zwar ein wenig schlauer geworden, aber leider fühlt es sich dennoch nicht wie die Lösung des kleinen Rätsels an. Ich dachte, es rührt von der ‚Zona di produzione: Caulonia (RC)‚ her, welche ziemlich im Südosten der Stiefelspitze Italiens befindet. Kann sein – kann nicht sein – ist wahrscheinlich auch nicht weiter von Bedeutung, denke ich mir zumindest.
Aber ein Blick auf die Rückseite des Weines zeigt die Lösung, wenn auch nur auf italienisch ! Dort kann man lesen:
„Kaulós è la radice greca del nome dell´antica Caulonia.“ Bedeutet soviel wie, dass die hoch oben auf einem Hügel thronende kalabrische Gemeinde Caulonia auf griechische Wurzeln zurückzuführen ist und damals wohl Kaulós hieß. Es gibt aber auch ein altes schon 200 Jahre vor Christus verlassenes Caulonia, direkt an der südöstlichen Küste gen Griechenland gelegen. Es könnte auch die griechische Bezeichnung dieser alten Besiedlung gemeint sein. (. . .)
Heute führt also sein Sohn Eugenio den Betrieb. Das Ziel für das Ausgangsmaterial für diesen bleibt unverändert: Eine recht hohe Pflanzdichte von bis zu 7.500 Rebstöcken pro Hektar, Konzentration auf die autochthonen Rebsorten, die Produktion nach biologischen Grundsätzen, niedrige Erträge um etwa 35 – 40 Hektoliter pro Hektar. Das Ergebnis sollen extraktreiche, kraftvolle, aromastarke Weine sein, die nur selten zu schwer wirken.
Ganz neben klingt eine Pflanzdichte von 7.500 nicht so groß, aber am unteren Ende des Stiefels liegt auch die Pflanzdichte von Primitivo beispielsweise bei nur maximal etwa 6.000 Reben pro Hektar. Für diese Region stellt das somit schon eine recht hohe Rebstockdichte dar. Als Vergleich: Im Piemont – besser gesagt im Raum Langhe Roero – ist die durchschnittliche Pflanzdichte bei mittelalten Anlagen etwa 4.500 und bei neueren Rebanlagen bei 5.000 – 5.500 Rebstöcken je Hektar, wie mir mein überaus geschätzter Weinfreund Bisso Atanassov erklärte.
Die wichtigsten Rebsorten der Muzzillos sind Aglianico, Syrah, Calabrese, Magliocco & Magliocco dolce.
‚Der Wein stammt aus den Trauben von Roberto Oppedisano, einem Agronomen und passionierten Winzer im extremsten Kalabrien.‘ heißt es noch auf der Flasche. Nach einer kurzen Suche konnte ich herausfinden, dass Roberto ebenfalls die Leidenschaft seines Vaters Antonio weitergeführt hat. Roberto hat bezüglich seiner Weine eine Vorstellung, die vor allem Deutsche und Nordeuropäer gut finden sollten, glaube ich. Er wünscht sich von seinen Weinen ‚dass sie eine sehr intensive Farbe und einen vollen Körper mit angenehm sanften Tanninen besitzen. Ein intensives und komplexes aromatisches Bild abgeben und weich, saftig und anhaltend am Gaumen sind, um die Wärme des Ursprungslandes widerzuspiegeln. Ausgehend von diesen Überlegungen und den Boden- & Klimaeigen-schaften des Gebiets (Terroirs) konzentrierte er sich auf Calabrese, eine außergewöhnliche Rebsorte, die dem Wein die gewünschten Eigenschaften verleihen kann.‚ Die Muzzillos scheinen mit dieser Ansicht sehr einverstanden zu sein, denn der kaulós scheint genau das zu verkörpern.
Zu diesen Worten fällt es mir schwer weiteres Sinnvolles hinzuzufügen, ohne unnötig viele Worte zu benutzen, um das zu beschreiben was ohnehin schon gesagt wurde.
Der kaulós besteht aus ca. 2/3 Calabrese und 1/3 Magliocco. In Italien gibt es wie mitunter bekannt, für eine Rebsorte oft mehr als ein Dutzend Bezeichnungen. So verbirgt sich hinter Calabrese tatsächlich Nero d’Avola ! Magliocco ist im deutschsprachigen Raum ein wenig ‚beschriebenes Blatt‘ und eventuell mit Grenache verwandt. Die Reben stehen auf Kalksteinböden in 50m Höhe ganz in der Nähe des Ionischen Meeres. Wo genau, konnte ich nicht herausfinden.
Manch einem* sind die 15,5% Alk. schon aufgefallen.
Das liegt nicht am super hohen Mostgewicht, sondern viel mehr daran, dass die Trauben schon an den Reben noch etwas austrockenen durften und zwischen der Lese und der Pressung noch ein wenig an der Luft getrocknet wurden.
In Italien ist das in manchen Ecken keine Seltenheit. Die Trauben werden im August, mit dem Ziel eines sehr hohen Trockenextraktes, gelesen. Die Trockenheit und ‚dezenter‘ Trockenstress führen zu einem erhöhten Weinsäuregehalt. Diese Säure bleibt dem Wein erhalten und verleiht dem kaulós eine gewisse frische Lebendigkeit, als Gegenpol zum Alkoholgehalt und der angenehmen Schwere des Weines.
Ich hab ihn zu Weihnachten zu klassisch deutschem Essen getrunken und einige Tage danach noch zu Leccino und Taggiasca Oliven sowie Burrata, Tomaten und Ciabatta.
Ausgebaut wird der Wein zu 80% im Stahlfass und zu 20% in kleinen Eichenfässern in erster und zweiter Belegung. Das Ganze für ein Jahr und zwei Monate – also 14 Monate.
Die Alterung und den Holzfassausbau erkennt man auch wunderbar an den leicht bräunlichen Rändern des Weins im Glas. Ansonsten besitzt der Wein ein klares und tiefes / dunkles Purpurrot, mit eindeutig braunen Reflexen. Die Alterungsnoten merkt man ihm inzwischen tatsächlich ein wenig an. Ich mag das zwar, finde es aber selbst inzwischen etwas über dem Niveau, was dem Wein gestanden hätte. Den Holzausbau merkte man natürlich, aber mit einer sehr angenehmen Intensität.
Direkt nach dem Aufziehen an Weihnachten, war es noch nicht ganz so arg. Da strahlte er noch seine originale Frische und Fruchtigkeit, in fast originalem Ausmaß, aus. Er war unglaublich schön beerig & kirschig im Aroma und fein, zart, aber dennoch schön opulent auf der Zunge und am Gaumen.
Die noch ordentlich Säure und die Holznoten unterdrücken in einer ungewohnten Harmonie mögliche andere feine Aromen. Anders als vom Weingut angegeben, hatte ich nicht das Gefühl viel oder überhaupt Vanille gerochen zu haben.
Die ganz dezenten Aromen in Richtung Schokolade bzw. Kaako, kann ich aber minimal nachvollziehen. Viel mehr aber finde ich die Tannine recht gut adstringierend. Man fühlt sich fast gezwungen die Trockenheit im Mund mit mehr Wein zu bekämpfen. Wenn man es mit der Lagerung nicht übertreibt, geht der kaulós zurecht runter wie Seelen-Löschwasser, zumindest für Italien- und Mittelmeersehnsüchtige wie mir ! Keine Frage, ich werde wieder Weine von Terre del Gufo in meinen Keller legen. Zum Glück ist noch eine Flasche übrig !