Als gebürtiger Leipziger muss ich mich ganz klar für befangen erklären, wenn es um ostdeutsche Weine vom Winzer selbst geht. ( Ich bin kein Fan von Genossenschaften, wie auch bspw. von Amazon…, wenngleich manche Vorteile noch so klar auf der Hand liegen.) Aber selbstverständlich bleibe ich objektiv, zumindest nehme ich mir das bei einer Beurteilung immer vor. Es bringt aber auch, dass muss man ganz ehrlich sagen, nichts, wenn man Weine oder sonstiges, aufgrund von persönlichen Parallelen oder Beziehungen, mehr als notwendig lobt oder ‚besser macht‘. Lügen haben kurze Beine und Authentizität büßt man ohnehin immer ein.
Also ! Worum geht’s ? Einen Weißburgunder vom Winzer und Weingut Klaus-Remo Deckert aus dem Jahr 1992, aus Freyburg an der Unstrut. Kabinett und trocken mit wirklich zurückhaltenden 10,0% alc.
Meinem Empfinden nach, ist diese ‚Ecke‘ dort mit das Herz des gesamten größten ostdeutschen Weinanbaugebiets Saale-Unstrut, welches jedoch nur knapp 800 Hektar groß ist.
800 Hektar ist im Grunde nicht wirklich viel, genau genommen sehr wenig, um mal ehrlich zu sein. Man muss aber auch erwähnen, dass nach der Reblauskatastrophe wohl gerade einmal 31 Hektar übrig geblieben waren. Zur Blütezeit des Weinbaus im Großraum Saale-Unstrut gab es wohl einst circa 5000 Hektar Rebfläche. (Für Mitteldeutschland gibt es eine Schätzung, dass es 10000 Hektar Rebfläche gegeben haben soll, worauf wohl 5000 auf Sachsen entfielen. Die Geschichtsschreiber des Weinbaus in Sachsen-Anhalt und Thüringen, scheinen nicht wirklich web-affin zu sein. .. Denn viele Daten kann man da nirgends finden.) Nach dem Fall der Mauer war der Weinbau an der Saale nun schon mindestens 1016 Jahre alt und es waren wiederum nur 200 ha, welche zu Buche standen. Da kann man inzwischen eigentlich stolz auf aktuell wohl 798 Hektar Rebfläche sein. Offiziell werden aber auch die Rebfächen bei Werder unweit Berlins dazugezählt.
Um das Weingut ist es außerhalb derer Heimat relativ unbekannt, vor Ort aber einer der großen Namen. Es liegt sehr wahrscheinlich auch an der etwas besonderen Geschichte.
Das Weingut von Klaus Remo Deckert war das erste private Vollerwerbs-Weingut der neuen Bundesländer. Es wurde am 1. Juli 1990 gegründet und konnte sich in den vergangenen Jahren zu einem der größten privaten Anbieter der Region entwickeln. Der Weinbau liegt der Familie im Blut, so wurde im Jahre 1972 Frau Ria Deckert zur Weinkönigin gekürt. 15 Jahre wirkte sie als Weinköniginnenmutter, kümmerte sich in dieser Eigenschaft engagiert um den Ablauf der weiteren Proklamationen und führte drei Jahre lang die Prüfungen durch. [..] 1996 übernahm, nach dem tragischen Tod des älteren Bruders Klaus Remo, Florian Deckert die Leitung des Familienbetriebes.
Saale-Unstrut Tourismus
Zum Wein bin ich glaube über eine Weinkellerauflösung gekommen, eventuell aber auch durch einen Konvolutkauf. Genau kann ich mich leider nicht mehr erinnern, ist aber auch nicht tragisch. Fakt ist, der Wein ist nun, seit dem er gefüllt wurde, gute 27 Jahre alt. Ein perfektes Alter möchte man meinen .. naja – zumindest bei Weißburgunder trocken nicht unbedingt. … Vielleicht lag es auch am Weinjahr. 1992 war sowohl an der Mittelmosel als auch in der Pfalz nur so mittel bis gut. Ich glaube nicht, dass es an der Saale und der Unstrut viel anders war. Der Freyburger Herrenberg ist kein besonders spektakulärer Weinberg, wie bspw. der Freyburger Schweigenberg (wie ich finde), aber dafür ist er aber wunderbar gen Süden und Südwesten gelegen. Dort wachsen die Reben wohl auf einem Muschelkalkverwitterungsboden, ähnlich dem in Franken, jedoch mit noch etwas weniger Niederschlag, im langjährigen Schnitt.
Die Farbe des Weißburgunders hier finde ich schon etwas faszinierend. Weit mehr auf jeden Fall, als der Silberne DLG-preis von 1994, welcher oben auf dem ersten Bild zu sehen ist. Es kommt aber auch wirklich auf das Licht an, welche Farbstiche bzw. Nuancen man sehen kann.
Nun gut, Recherche abgeschlossen, soweit sogut zumindest.
Wie schaut es denn jetzt mit dem Wein aus ?
Also: Im Glas befindet sich ein recht geschmeidiger trockener Weißwein, der schon ganz dezent ins goldene und lachsrosa / rosé hinein ragt; farblich gesehen ein Grenzgänger(-Wein).
Auf der Zunge (diesmal zuerst) schmeckt man eine gewisse kühle Frische mit vornehmlich schlanker und recht präsenter Säure. Klare Sache, etwas zu lang im Keller liegen gelassen – freilich meine Schuld, denn den Tropfen besitze ich (glaube ich) schon diverse Jahre. Im schlimmsten Fall sogar über 10 Jahre schon. Etwas leicht Bitteres und eine ganz schwache fruchtige Note ist ebenfalls noch vorhanden. Man könnte ihn sogar noch ganz gut trinken, wenn man es denn so mag.
In der Nase geht aber tatsächlich noch ein wenig mehr, als auf der Zunge. Ich rieche dezent gelben Apfel mit nicht zu schwacher Säure, ja etwas gelbfruchtiges in Richtung Aprikose und Mandel und etwas dezent getrocknete Kräuter / minimal Heu. Mit ein wenig Belüftung finde ich ihn sehr harmonisch, fein aromatisch (um es mal etwas zu verallgemeinern) und trotzdem leicht firn, mit einer gewissen leichte Würze, welche erst mit Sauerstoff und etwas Temperatur kommt. Ich muss dennoch zugeben, dass wenn er nicht so leicht flach (aber nicht eindimensional !) und minimal zu sauer wäre, er richtig gut dastünde ! Ich bin dezent positiv überrascht, was da trotz des Alters noch im Glas schwingt.
Ja 36,-DM wird der wohl mal gekostet haben glaube ich. Wahrscheinlich aber im Restaurant in der geschlossenen Form. Rückblickend muss man sagen, dass das zu DM-Zeiten nicht wenig Geld war, aber recht wahrscheinlich vollends gerechtfertigt. Ich wäre bestimmt damals ziemlich gut begeistert gewesen, hätte ich diesen Weißburgunder im Glas gehabt.