[ Beitrag bitte auf Handy oder Tablet lesen ! ]

Gleich einmal zum Einstieg als Klarstellung: Die Bezeichnung dieses Weines finde ich sogar als ’nicht-Laie‘ ziemlich kompliziert. Noch komplizierter wird es allerdings, wenn man das Ganze einmal aufdröselt und dabei die italienischen Gesetzmäßigkeiten mitbetrachtet. Zum Glück interessieren die gut 6 Dutzend Synonyme unter denen diese Rebe landläufig bekannt ist hier und jetzt nicht sonderlich, das würde ja kaum jemand aushalten, geschweige denn verstehen.

Es geht um den den Verdicchio bianco also Weißwein aus der Verdicchio-Traube vom Weingut Pievalta. Dieses befindet sich knapp 5km westlich vom nicht unbekannten Jesi in der Gemeinde Maiolati in der Provinz Ancona in den Marken. Wo das ist ? Etwa 100km südöstlich von Rimini, aber etwa 15km vom Strand gen ‚Stiefel-Inneres‘ entfernt, circa auf der Höhe von Livorno, aber eben auf der anderen Seite der Apenninen.

Das Weingut ist in der aktuellen Formation gerade einmal 20 Jahre existent. Als Vorbild diente Ihnen der große Vorreiter der Franciacorta südlich des Lago d’Iseo in Sachen Ökologie.
„Seit 2002 unter der Führung von Barone Pizzini, wurde das kleine aber feine Weingut von Önologe Alessandro Fenino nach und nach zu einem rein biodynamischen Betrieb umgestellt.“ Das Weingut Barone Pizzini stellte schon ein wenig vor 2000 die Weichen in Richtung Zukunft und erntete, nicht zuletzt auch deswegen, zahlreiche Preise und Ehrungen. Dieses Vobild kommt vor allem in der Arbeits- und Denkweise der beiden Winzer Loschi und Fenino zur Geltung.

Expressivere Weine wollten Silvia Loschi und Alessandro Fenino produzieren. Das ginge ihrer Meinung nach aber nur durch die Stärkung der Böden und somit auch der Reben. Daher steht der Fokus des biodynamischen Anbaus hier auch nicht auf hohen Erträgen, sondern der Gesundheit & Resilienz der Reben, die Erhaltung der Böden und natürlich auch Qualität und Gesundheit der Trauben. Dass die Verdicchio-Rebe sich inzwischen an die Region und ihr Klima gewöhnt haben sollte, kann man auch auf die gut 3000 vergangenen Jahren zurückführen, welche diese Traube hier schon geerntet wird. Und seit etwa 700 Jahren ist auch dieser reinsortige Verdicchio-Wein unter genau dieser Bezeichnung in den Marken bekannt.

Bei diesem Verdicchio, mit den Zusätzen ‚Classico‘ und ‚Superiore‘, handelt es sich um die höchste unter den DOC-Regularien zugelassene Bezeichnung. Hier dürfen nur noch maximal 11 Tonnen (statt der 14 für untergeordnete Klassifizierungen) Trauben je Hektar geerntet werden. Das Weingut selbst gibt einen Ertrag von 9 Tonnen an. Ich finde das recht ordentlich, da man bei solch einem Weingut nochmals davon ausgehen können sollte, dass hier klassische Ertragsreduzierung durch kürzen der Trauben praktiziert wird.

Dadurch sollen bei der Lese auch alle Trauben möglichst frei von Botrytis und top gesund, reif und reich an Extrakt und Aromen sein. Ausgehend davon, dass dann noch ein Verlust von 1/4 bis 1/3 anfällt, bleiben abzüglich des Tresters noch etwa 60-65 Hektoliter je Hektar über. Am Ende muss ein Verdicchio dei Castelli di Jesi Classico Superiore mindestens aus 75% Verdicchio bestehen und 11,5% Alc. haben, wenn ich mich nicht verlesen habe. Klingt erstmal ganz ansprechend soweit.

Mal noch was zu den echt sehr hochwertigen Spaghetti von Girolomoni: „Senatore Cappelli ist der Name einer alten italienischen Hartweizensorte, die Mitte des 20. Jahrhunderts beinahe in Vergessenheit geriet und erst kürzlich wieder-entdeckt wurde. Ihre Ähre erreicht eine Höhe von bis zu 1,80 m. Deshalb eignet sie sich gut für den biologischen und biodynamischen Anbau. Es ist eines der köstlichsten Getreide überhaupt: Abgesehen vom authentischen und intensiven Geschmack hat es hervorragende Nährwerteigenschaften (Ballaststoffe, Mineralien, Vitamine und Antioxidantien). Außerdem überzeugt es durch unschlagbare praktische Qualitäten: Dank dem hohen Eiweißgehalt bleiben die Nudeln kompakt, auch wenn sie ohne Eier zubereitet werden.“ Sequerciani.it/de

Gino Girolomoni könnte man als einen Vorreiter des Slow Food geschehens in Italien sehen. Er war mit ähnlichen Gedanken schon mehr als 10 Jahre vor der Gründung der inzwischen weltumspannenden Bewegung proaktiv am Werk. Gekauft hatte ich die Bio-Pasta in einem kleinen Bio-Laden in der Innenstadt von Florenz, den Rest in einem Esselunga ein paar hunderte Meter weiter.

Zurück zum Theam: Früher, aber auch heute noch, hat man die Verdicchios oft in jene relativ merkwürdigen Flaschen gefüllt, bis man auch hier auf die Idee kam, dieses Alleinstellungsmerkmal mit minderen Qualitäten so sehr ‚runterzuziehen‘ (natürlich relativ unabsichtlich, aber billigend), dass man hohe und noch höhere Qualitäten selbstverständlich in Burdunder- oder der Burgunderflasche ähnliche Flaschen füllt, wie es auch Alessandro und Silvia handhaben. In ihrem Weingut Pievalta bewirtschaften die beiden Rebzeilen auf etwa 26,5 Hektar. Die wichtigsten Trauben sind Verdicchio, Montepulciano, Malvasio und Trebbiano. Abgerundet wird das Ganze mit einem weingutseigenem Olivenöl, natürlich auch in bio.

Der >Tre Ripe< heißt übersetzt so viel wie ‚drei Seiten‘. Gemeint ist damit die dreiteilige Zusammensetzung der Lagen-Cuvée. Dieser Verdiccho entstand aus den Trauben der drei Lagen in Maiolati Spontini, Montecarotto un Monte Follonica auf Höhenlagen zweichen 200 und 350müN. Bis 2018 glaube ich waren auf den Etiketten noch alchemistische Zeichen, als Symbolik für den hier gelebten Einklang mit der Natur. Das Symbol auf dem „Castelli di Jesi“ biespielsweise stand für den Frühling und sollte auf die Frische des Weines hindeuten. (Bild: Hornmistpräparat)

Die Reben auf den drei verschiedenen Lagen stehen zu dem auf unterschiedlichen Böden: Auf kalkhaltigem Ton und kalkhaltigem-Lehm-Sand-Boden, soweit ich das den Quellen des Weinguts entnehmen kann. Auf dem Bild sind tatsächlich drei verschiedene Gesteine zu sehen. Dort kann man stark unterschiedliche Böden erkennen. Wobei Ich der Meinung bin, dass es ein wenig mehr braucht, damit man wirklich unterschiedliche Böden hat, welche man dann auch sensorisch auseindanderhalten kann. Eine anteilig erhöhte Drittkomponente – ich miene den Sand – macht noch keinen großen Unterschied. Keuper, Kalk, Buntsandstein, Mergel in seinen Facette und Schiefer. Das wären Unterschiede die man wenigsten sensorisch noch erkennen könnte, also als Profi. Ich denke, dass die Böden hier doch recht nah beieinander sind und man das als 100% Kalk-Ton/Lehm-Terroir verordnen kann.

Mal noch was zur Weinbereitung dieses Weißweins: Die Trauben wurden direkt abgepresst, ob das jetzt bedeutet, das es eine Ganz-Trauben-Pressung war erschließt sich mir nicht vollends, ich vermute es aber einmal. Danach wird der Wein wohl etwas gekühlt, damit sich der Trub absetzt und der Wein ein erstes Mal relativ klar abgestochen werden kann – also umgepumpt in ein anderes Fass. Dann darf der Verdicchio endlich mit seinen eigenen Hefen im Stahl gären, was am Ende charakterprägend sein wird. Nach der Gärung wird der Wein noch 7 Monate wohl etwa zu gleichen Teilen in Stahl und Zement-Tanks reifen gelassen. Nach der Füllung darf und muss der Wein nochmals ruhen, bis er verkauft werden kann.

Also: Dieses Terrior und die typisch prägnante Säure der Verdicchio-Trauben bilden auch den ersten Eindruck, aber auch das Fundament dieses insgesamt eher zurückhaltenden Weins, obwohl dieser, wie auch sein Vorgänger, bei 12,5% alc. zum stehen kam. Als erstes riecht und schmeckt man vor allem eine gewisse mineralische junge Frische. Die Aromen wirken ein wenig grün, sind aber dennoch mit vollreifen Trauben zu assoziieren, was die strohgelbe Farbe unterstreicht. Die Aromatik dahinter ist minimal floral, ‚kräutrig‘ und zitronig, ohne das eine infantile Süße mitschwingt. Als letztes kann ich noch ein wenig Mandeln erkennen, aber keine infantil wirkende Süße. Auf der Zunge ist er entgegen der frischen Säure doch recht weich, entwickelt Gaumen zum Glück jedoch einen gewissen Druck, welcher nicht fehlen darf. Er kommt frisch und auch wieder mineralisch mit grünem Touch auf der Zunge daher. Der Abgang ist geprägt von der weichen Textur und würzigem Nachhall, welcher wirklich nicht aufdringlich ist und dennoch den nächsten Schluck provoziert. (Bild: In echt nicht ganz so goldig, aber ich konnte es nicht besser bearbeiten, da es sonst noch verfälschter ausgesehen hätte. 😀 )

Fazit: Ich finde den Verdicchio klasse und man kann ihn bzw. ich kann ihn ohne Zweifel und mit bestem Gewissen weiterempfehlen. Was ich gut finde ist seine kühle, frische nicht langweilige aber auch sanfte und würzige Art. Ich würde ihn zu allem vor dem ’secondi piatti‘ und zu eher leichten Hauptgängen empfehlen. Cooler Verdicchio di Jesi Superiore !

Loading

Schreibe einen Kommentar