Am 1. Weihnachtsfeiertag dachte ich mir, dass ein guter Rotwein keine falsche Wahl sein kann. Da kam mir mein Weinkeller mit einer Flasche Barbera Superiore entgegen und ich muss vorweg schon einmal aufklären, dass ich ein ausgesprochener Fan dieses kleinen 11 Hektar umfassenden Weinguts bin. Tolle und unglaublich leckere und spannende Weine, dann auch noch aus dem Piemont, dann auch noch aus dem Raum um Alba und Asti, dann auch noch in so einer wunderschönen Umgebung und dann auch noch mit solch einer feinen Kollektion mit solch wunderschönen Etiketten. #theygotme 😀 .. nicht zu unrecht, denn die Qualität ist top !
Zu meinem Glück fehlt nur noch ein gescheites Bio-Label oder eine klare Ansage des Weinguts, dass hier unglaublich vorbildlich ökologisch gearbeitet wird. Ich sollte mich bei der ersten besten Gelegenheit darüber informieren, in wieweit solchen Erwartungen entsprochen wird. Es wäre zu schön wenn ja. Wer sich die Bilder, wie beispielsweise das Bild mit der Familie im Weinberg anschaut, sieht auf jeden Fall schon einmal, dass auf eine unnötige Unterstockspritzung zu Gunsten Aller verzichtet wird. Auf der Internetseite kann man erfahren, dass ohne Herbizide und ohne chemische Dünger gearbeitet wird. Wer ein wenig Ahnung hat, weiß natürlich, dass es auch Pestizide und Insektizide gibt. Was jetzt nicht bedeutet, dass diese Mittel dort ausgebracht werden, aber es steht quasi so im Raum.(?) Aber ich habe größtes Vertrauen, dass diese Mittel ebenso wenig / keine Verwendung in den Weinbergen der Familie Mo finden.
Die Barbera-Rebe ist bei dem einen oder anderen Winzer und Oenologen nicht gerade die aller liebste Rebsorte. Es liegt zum einen an ihrer Allgegenwärtigkeit, mit welcher die Rebsorte seit etwa mindestens 800 Jahren im Raum des heutigen Monferatto angebaut wird und zum anderen an der teilweise, und das auch in den partiell kalten letzten hundert Jahren, hin und wieder niedrigen Qualität der Traube. Die mitunter eben niedrige Qualität kommt nicht zu selten von der starken Wuchskraft und der mehr als kompakten Trauben. Eine heutzutage gewünschte locker-beerige Traube bringt diese Rebsorte jedenfalls nicht hervor.
Mancherorts hat gar eine Haselnuss-Neupflanzung den Vorzug vor neuen Barbera-Rebstöcken erhalten oder wurden scheinbar direkt einfach so gerodet, um Platz zu machen. Somit sank über die letzten Jahre natürlich auch die Menge erzeugten Weins dieser alten Rebsorte beträchtlich !
Barbera kann angeblich gerne einmal zu sauer, zu rustikal, zu grob sein und obendrein mit zu wenig Geschmack und er soll zu einfach Kompromisse eingehen – was ich verstehe, als das er allzu oft den kleinsten gemeinsamen Nenner bei irgend welchen gepoolten Cuvées darstellen musste.
Es ist bzw. war viele viele Jahre lang die am zweit meisten kultivierte Rebsorte Italiens und fand sich auf vielen Weinkarten des Landes als einfacher Wein im offen Ausschank wieder. Die Ansprüche an die fertigen Barberas hinkten bzw. hinken denen von Nebbiolo und Dolcetto, vielleicht auch zurecht, sogar bis heute hinter. Letztendlich lässt sich das weniger an den DOCG oder anderen ähnlich Kriterien erkennen, sondern auch vielmehr an der Präsenz in fernen Ländern und auf ausgezeichneten Weinkarten. Und da gehört meiner Ansicht nach dem Barolo aus Nebbiolo unumstritten die Führungsposition im Piemont. Hier haben es auf dem ‚Superiore‘ Niveau und auch im anvisierten internationalen Geschäft alle anderen Rotweine aus der Region schwer, sich da irgendwie durchzusetzen. Klar, dass es da für einen vielleicht weniger ausdrucksstarken viel zu häufig angebauten Rotwein kaum einen Platz gibt. Es gab vor allem und gibt auch noch viel zu viel des ‚einfachen‘ Barbera, welcher ohne große Mühen im Stahl oder Großgebinde vergoren wird und eher fruchtig-spritzig – manchmal etwas sauer – ist. Vom guten Barbera, der als Gegengewicht zu diesen Eigenschaften und schwachen Tanninen im Holzfass ausgebaut wurde und auch mit weit weniger Ertrag angebaut wurde. Diesem guten Barbera fällt es dann schwer, sich gegen die ‚Großen‘ Rotweine Norditaliens zu konkurrieren, da man als Kunde unglücklicherweise auch noch den günstigen Barbera-billig-Massenwein-Durchschnittspreis im Hinterkopf hat.
Aber zurück zu dieser wunderbaren Flasche des Weinguts MO der Familie Mo aus San Matteo bei Cisterna d’Asti. Meine Flasche der Ernte von 2016 ist leider schon ausverkauft, aber es gibt Nachschub in Form des 2017ers. Familie Mo zieht von der Rebsorte selbst schöne Parallelen quasi zu sich selbst. Der Wein ist wohl wie die Piemontesen selbst: schroff, eigensinnig und stark, aber auch leise und in gewisser Weise höflich – zurückhaltend. Genau aus diesen Eigenschaften und zugleich auch Gründen, vor allem den letzteren, hat Davide Mo den Wein nach seinem Großvater Tunet benannt, welcher symbolisch auf dem Etikett zu sehen ist. Es ist nur logisch, dass dieser Wein auch mit die Qualitätsspitze der Kollektion des Weinguts darstellt. Davide stecke viel Arbeit und Mühe in möglichst ausdrucksvolle Rotweine.
Der Barbera der Mos wächst auf den sonnigen Hügeln um Cisterna, mit sandigen Böden und wird nach klassischem Guyot-System erzogen, wie sie auf den Bilder zu sehen sind.
Die Barbera-Reben aus denen Davide Mo die Qual der Wahl der Selektion hat, wurden immer wieder einmal nach und nachgepflanzt. Eine genaue Altersangabe der Reben ist somit nicht möglich. Dadurch ergibt sich aber auch ein ausgeglichenes Geschmacksbild des Grundweins für den Superiore Tunet.
Die ‚perfekt reifen Trauben‚ für diesen Barbera wurden selbstverständlich von Hand gelesen, maschinell entrappt und anschließend gequetscht. Diese Maische wurde für 10 bis 12 Tage auf der Maische belassen, dann ‚auf das Fass gebracht‘ und die BSA eingeleitet / die malolaktische Gärung angestoßen. Ausgebaut wurde der 2016er 12 Monate lang in Barriques und Tonneaux-Fässern. Der noch verfügbare 2017er Tunet hat circa ein viertel Jahr mehr Zeit in den gleichen Eichernfässern bekommen. Ich könnte mir vorstellen, dass dieses Quartal mehr an Ausbauzeit dem Wein gut steht, wenngleich der 2016er mir tatsächlich schon echt kräftig erscheint. Es könnte aber auch am Traubenmaterial gelegen haben, dass der 2017er mehr Zeit bekam. Nach der Zeit im Fass wurde der Barbera auf die Flaschen gezogen und zur Flaschenreife gelegt, welche natürlich aufgrund der aktuell hohen Nachfrage nicht länger als notwendig ist.
Ich finde mein Tunet 2016 hat eine klare und leicht helle aber irgendwie dennoch tiefe rubinrote Farbe mit minimal violetten/granatroten Reflexen. Nach einigen Tagen wandelten sich die Reflexe bei mir dann zu den erwarteten leicht bräunlichen. Der Wein hat definitiv ein spannendes und intensive Bukett. Es wirkt als würden die schweren rotfruchtigen Aromen und tiefgründigen würzigen Aromen gegeneinander arbeiten. Vielleicht liegt es an der straffen und animierenden Säure, welche gefühlt noch in der Phase der Assimilierung zum Barrique-Ausbau befindet. Es riecht nach reifen Zwetschgen, Kirschen und saftigen leicht sauren bzw. nicht süßen Brombeeren. Ich schmecke nebst dem Ausbau in Eiche untergeordnet feine würzigen Aromen wie Pfeffer, Lorbeer und einem Touch Holunder. Der Tunet fühlt sich auf der Zunge nicht nur saftig – animierend (Speichel fördernd) und kraftvoll an, sondern erinnert schon ein wenig an einen guten mehrjährigen zähflüssigen Balsamico. Für einen ganz kurzen Moment hatte ich einmal Akazien- bzw. Robinienhonig in das Nase bzw. in Gedanken. (nur Notiz)
Adstringent ist er weniger, was das saftig animierende auch mit fördert. Die sanften Tannine werde aber durch die Säure und den Fassausbau gestützt, so dass der Wein wesentlich mehr Rückgrat besitzt, als viele Weinfreunde ihm wahrscheinlich zutrauen würden, bevor sie ihn probieren.
Der Abgang ist angenehm, langanhaltend und belebend.
Rundum geiler Wein ! Ich werde wieder zugreifen ! Grazie !