Wie so häufig bei meinen älteren Weinen, komme ich ein wenig zu spät. Das ist bei dieser Kerner Spätlese, welche nun gut 35 Jahre auf dem Buckel hat leider nicht viel anders, obwohl der Füllstand in der Flasche einen letzten Funken Hoffnung aufblitzen ließ.
Aber gut, einmal vorweg: Der Kerner kommt aus der Pfalz, aus der Region Südliche Weinstraße. Der Ort Nußdorf ist seit locker 2000 Jahren besiedelt, wobei hier anfangs wahrscheinlich mehrheitlich normale Lebensmittel für den täglichen Speiseplan angebaut wurden. Der Name der Gemeinde leitete sich wohl von einer Unmenge von Walnussbäumen rund um die Gegend / das Drof ab, ob die immernoch stehen oder nicht in den Weltkriegen zu Gewehrkolben verwurstet wurden, kann ich nicht sagen, leider. Inzwischen werden rund um den Weinort knapp 500 Hektar Reben gepflegt. Besondere Terrains oder spannende Reliefs findet man hier nich wirklich, vor allem die großen Bereiche südöstlich und westlich des Dorfes sind eher flach.
Nichts desto trotz macht man hier natürlich Wein den man gut trinken kann und konnte. Diese Spätlese wurde aber vom Weingut Reichsgraf von Ingelheim in Nackenheim gekeltert. Heute ist das Weingut stolz auf seine Lagenweine, welche glaube ich nur noch aus Lagen um Nackenheim und Nierstein stammen, abgesehen von einem Bodenheime rund einem Albiger Ausreißer. ‚Familientradition‘ seit über 985 Jahren kann man quasi auf der Internetseite lesen, wobei die Weinbautradition letztendlich frühestens seit 1679 belegt ist und das Weingut dieses Jahr offiziell erst sein 50. Jubiläum begeht, was man unschwer an der Sonderausstattung der Weine der aktuellen Kollektion sehen kann.
Dieser Wein ist dennoch etwas besonderes, denn er war allem Anschein nach als Geburtswein von Marsilius Erwein Anselm Franz Maria Graf von Ingelheim gen. Echter von und zu Mespelbrunn gedacht, welcher am 30. Dezember 1985 geboren wurde. Heute beschränkt er sich als aufstrebender Geschäftsführer den Umständen entsprechend auf den ersten seiner vielen Vornamen und atmet wahrscheinlich mit dem abebben der Pandemie langsam aber sicher wieder auf.
Nur bei meinem Kerner ist der Zug leider schon abgefahren. Süß ist er zwar noch, aber es kommt mir so vor als hätte man eine geräucherte Bockwurst im Wein baden lassen .. Die Firne springt einem schon aus dem Glas entgegen und reißt sogar noch ein-zwei Aromen mit sich. Ganz am Anfang waren es Fruchtaromen von überreifem Kernobst – irgendwas Richtung Apfel – und minimals weiße Johannisbeeren. Säure ist auch vorhanden und kommt vordergründig durch, bis einem dann die Bowu ergreift .. Es ist glaube ich kein Brettanomyces, welches nur im früh beginnenden Abgang deutlich wird…
Es wirkt zwar animalisch, aber auch fettig und ist nicht in der Nase zu finden. Gekühlt schmeckt er zwar noch einigermaßen gut für sein Alter, aber Freude macht das nur noch jenen, die diesen Wein in der Felsspalte nach einem Absturz finden oder zufällig kurz vorm verdursten in den Ruinen von Lüderitz, wenn da nicht das Besucherzentrumsgebäude wäre. Schade, aber nicht tragisch. Es ist durchaus erkennbar, dass der Wein auch direkt nach der Füllung auch keine Auktionswein war. Das beste am Wein ist inzwischen seine in der Sonne leuchtende bernsteingoldene Farbe; die strahlt echt klasse !
Von daher: Wieder etwas gelernt: Kerner Spätlesen sind nicht für die Ewigkeit gemacht, müssen sie aber auch nicht. 😀
Kommentare
Ich hab diesen Wein als Student im Jahre 1987 aus dem Weinkeller meines Vaters genommen . Da Vater nicht begeistert war habe ich den Wein lange Jahre nicht angerührt.
Erst im Jahr 2018 habe ich ihn dann geöffnet, ohne viel zu erwarten.
Er war ein Hochgenuss.Mild, von einer edlen Süße.
Ein toller Wein.
Hallo Lothar, und pardon für die verspätete Antwort. Das war allem Anschein nach ein glücklicher Umstand. 🙂 Es ist nicht immer selbstverständlich, dass ein 30 Jahre alter Tropfen doch noch duftig und lecker ist. ^^ Vielen DAnk für’s lesen meines Blogs. 🙂 LG Hannes